Rezension: Die Westliche Christenheit und der Römische Ritus

Rezension: Die Westliche Christenheit und der Römische Ritus

Die Krise des Westens ist nicht nur politisch, kulturell oder moralisch. Sie ist vor allem eine Kulturkriese. Wenn eine Zivilisation aufhört zu wissen, wen sie anbetet, endet sie damit, nicht zu wissen, wer sie ist. Die Geschichte zeigt das klar: Jede große Kultur entsteht aus einem liturgischen Akt und stirbt, wenn dieser Kult seinen Sinn verliert.

La Cristiandad Occidental y el Rito Romano ist ein Text der historischen und liturgischen Reflexion, der von einer klaren Prämisse ausgeht: man kann die westliche Christenheit nicht verstehen, ohne den römischen Ritus zu verstehen. Javier Aizpun Bobadilla —Architekt, Theologe und Kanoniker der Kathedrale von Pamplona behandelt diese Beziehung nicht aus Nostalgie oder unmittelbarer Polemik, sondern aus einer tieferen Überzeugung: Die Liturgie ist kein Zierat des Glaubens, sondern seine sichtbare, stabile und im Laufe der Zeit übertragbare Form.

Der Traktat positioniert sich bewusst außerhalb der oberflächlichen Debatten. Er sucht nicht mit Parolen zu überzeugen, sondern mit Argumenten zu zeigen, wie der römische Ritus der zentrale Pfeiler einer ganzen Zivilisation war, fähig, Völker, Sprachen und Kulturen unter einer einzigen Form des Gebets zu vereinen.

Der Ritus als Prinzip der Einheit

Die Einheit der lateinischen Kirche stützte sich nicht allein auf dogmatische Definitionen, sondern auf eine gemeinsame Form des Kultus. Der römische Ritus wirkte über Jahrhunderte als gemeinsame Sprache, die politische Grenzen und kulturelle Unterschiede überschritt. Die westliche Christenheit wurde über Jahrhunderte um eine konkrete Form der Feier des christlichen Mysteriums herum aufgebaut: den römischen Ritus. Er war kein einfaches Gebetsensemble oder eine austauschbare rituelle Disziplin, sondern die geistliche Struktur, die dem Raum, der Zeit, der Kunst, der Politik und dem Alltagsleben Europas Gestalt gab. Dort, wo der römische Ritus Wurzeln schlug, entstanden Kathedralen, Universitäten, religiöse Orden, Recht, Musik und eine Weltanschauung, die auf die Transzendenz ausgerichtet war.

Aber dieses Gebäude brach nicht plötzlich zusammen. Es zerbrach allmählich, als die Liturgie aufhörte, klar auszudrücken, was die Kirche über Gott, das eucharistische Opfer und das endgültige Schicksal des Menschen glaubt. Als die Messe aufhörte, als sakramentale Aktualisierung des Kalvarienbergs und Vorschau auf den Himmel wahrgenommen zu werden, und begann, sich auf eine selbstzufriedene Gemeindeversammlung zu reduzieren, verschob sich die geistliche Achse der Zivilisation.

Aizpun zeigt, wie diese rituelle Einheit nicht das Ergebnis willkürlicher Auferlegung war, sondern einer langsamen historischen Klärung, in der Rom eine schlichte, theologisch dichte und überraschend anpassungsfähige liturgische Form bot, die in sehr unterschiedlichen Kontexten Wurzeln schlagen konnte, ohne ihre wesentliche Identität zu verlieren.

Liturgie und Zivilisation: eine untrennbare Beziehung

Der Text betont zu Recht, dass der römische Ritus nicht nur das kirchliche Leben, sondern auch das soziale und kulturelle Leben des Westens geprägt hat. Der Kalender, die Auffassung von Zeit, das Gefühl für heiligen Raum, die Architektur, die Musik, das Latein als gemeinsame Sprache des Wissens, sogar bestimmte juristische und moralische Kategorien entstanden oder festigten sich im Glanz der Liturgie.

Aus dieser Perspektive erscheint die Christenheit nicht als ideologische Konstruktion, sondern als Ergebnis einer gemeinsamen Form, Gott zu huldigen. Die westliche Zivilisation, wie sie sich über Jahrhunderte entwickelte, war in ihrer Wurzel liturgisch, auch wenn sie sich dessen nicht immer bewusst war.

Die Liturgie ist nicht neutral. Die Anordnung des Altars, die Ausrichtung des Priesters, die heilige Sprache, die Stille, die Anbetung: All das bildet den Glauben des Volkes. Wenn diese Elemente verschwinden oder banalisiert werden, ändert sich nicht nur der Ritus; der Glaube ändert sich. Und wenn der Glaube schwächt, wird die Kultur, die sich auf ihn stützt, zerbrechlich, verwirrt und schließlich feindlich gegenüber ihren eigenen Wurzeln.

Wenn der Mensch Gott verdrängt

Der Westen begann nicht, sich zu verlieren, als er aufhörte, dem Namen nach christlich zu sein, sondern als er aufhörte, zu leben, als ob Gott wirklich im Zentrum präsent wäre. Die Säkularisierung begann nicht in den Parlamenten, sondern in den Presbyterien. Bevor die Wahrheit relativiert wurde, wurde das Mysterium relativiert. Bevor die Dogmen geleugnet wurden, wurde der Kult der Reverenz entleert.

Das Problem ist nicht die Existenz liturgischer Reformen an sich —die Kirche hat immer Entwicklungen gekannt—, sondern die Brüche, die die Kontinuität der Tradition zerbrechen. Wenn die Ausrichtung auf Gott verloren geht, wenn der Sinn des Opfers verwässert wird, wenn die Anbetung durch Selbstfeier ersetzt wird, hört die Liturgie auf, Grundlage der Zivilisation zu sein, und wird zu einem weiteren Spiegel der kulturellen Dekadenz.

Tradition, Traditionalismus und Ende der Moderne

Ohne die dogmatische Größe von Trient oder dem Vaticanum II zu leugnen, hält Aizpun fest, dass beide Nachkonzilien Teil einer historischen Epoche sind, die zu Ende geht. Die entscheidende Frage ist daher nicht, zu welchem System man zurückkehren soll, sondern wie man sich an die perennierende Tradition der Kirche klammert —die, die Konzilien, Riten und Jahrhunderte durchquert—, um eine neue historische Phase zu bauen, die wir noch nicht kennen.

Aus dieser Perspektive ist der römische Ritus kein Museumstück oder ideologisches Banner, sondern eine lebendige Form der Tradition, die in Kontinuität mit dem gesamten Repertoire der Riten der Kirche verstanden werden muss, sowohl orientalischen als auch lateinischen, alten und gegenwärtigen.

La Cristiandad Occidental y el Rito Romano, von Javier Aizpun Bobadilla, ist dann eine unverzichtbare Lektüre für jene, die ahnen, dass die Krise des Westens nicht von der liturgischen Krise getrennt werden kann. Ein kurzer Traktat, der einlädt, die Liturgie nicht als Problem zu betrachten, das gelöst werden muss, sondern als Erbe, das verdient, verstanden, bewahrt und weitergegeben zu werden.

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