In seiner apostolischen Erklärung Una fidelidad que genera futuro, veröffentlicht zum 60. Jahrestag der konziliaren Dekrete Optatam totius und Presbyterorum ordinis, bietet Papst Leo XIV eine pastorale und spirituelle Lesart des Priestertums im aktuellen Kontext. Weit entfernt von einer bloßen historischen Gedenkfeier artikuliert das Dokument eine Reihe von konkreten Schlüsseln, um die priesterliche Treue zu wahren und zu erneuern in einer Zeit, die von Krisen, kulturellen Veränderungen und kirchlichen Herausforderungen geprägt ist.
1. Zurückkehren zum Ursprung der Berufung: die Begegnung mit Christus
Die priesterliche Treue hält sich nicht hauptsächlich an Strukturen oder pastorale Strategien, sondern an der persönlichen Begegnung mit Christus, die am Anfang jeder Berufung steht. Der Papst erinnert daran, dass der Priester treu bleibt, wenn er immer wieder zum Moment zurückkehren kann, in dem er die Berufung des Herrn hörte: „Komm und folge mir nach“.
Diese lebendige Erinnerung an die erste Liebe ermöglicht es, Prüfungen, Routine und Müdigkeit zu bewältigen, ohne die innere Orientierung zu verlieren. Die Treue, betont der Papst, stärkt sich, wenn der Priester eine persönliche und beständige Beziehung zu Christus durch Gebet, Hören des Wortes und sakramentales Leben aufrechterhält.
2. Die Treue als permanente Bekehrung verstehen
Leo XIV betont, dass Treue nicht mit Unbeweglichkeit oder bloßer Wiederholung verwechselt werden darf. Treu sein bedeutet nicht „so zu bleiben, wie man ist“, sondern einen täglichen Weg der Bekehrung zu gehen. In diesem Sinne nimmt er die konziliare Lehre über die permanente Bildung wieder auf und erinnert daran, dass die priesterliche Bildung nicht mit dem Seminar endet, sondern das ganze Leben des Presbyters begleitet.
Die Treue äußert sich so im ständigen Pflegen des geistlichen, menschlichen und intellektuellen Lebens und in der Bereitschaft, sich von der Gnade des Sakraments der Weihe läutern und erneuern zu lassen.
3. Menschliche Reife und geistliches Leben integrieren
Ein zentraler Schlüssel des Dokuments ist die Notwendigkeit einer integralen Bildung, insbesondere im menschlichen und affektiven Bereich. Der Papst unterstreicht, dass die priesterliche Treue eine reife Persönlichkeit erfordert, die zu authentischen Beziehungen fähig ist und eine gelassene Hingabe an das Zölibat als Gabe lebt.
In diesem Kontext weist Leo XIV darauf hin, dass Seminare und Bildungsprozesse wahre „Schulen der Affekte“ sein müssen, in denen die Person Aspekte ihrer Geschichte nicht unterdrückt oder verdrängt, sondern sie integriert und im Licht des Evangeliums ordnet. Diese Integration wird als unentbehrliche Bedingung für eine stabile und glaubwürdige Treue dargestellt.
4. Die Treue in Gemeinschaft und presbyteraler Brüderlichkeit leben
Die apostolische Erklärung betont, dass die priesterliche Treue kein individueller Weg ist, sondern ein kirchlicher. Der Papst erinnert daran, dass die Presbytern durch eine sakramentale Brüderlichkeit verbunden sind, die aus demselben empfangenen Orden entspringt und in Gemeinschaft mit dem Bischof gelebt wird.
Leo XIV ermutigt, den Individualismus zu überwinden, sich um Priester zu kümmern, die in Einsamkeit leben, und konkrete Formen des brüderlichen Lebens, der gegenseitigen Hilfe und Unterstützung auch in materiellen Bedürfnissen zu fördern, insbesondere in Krankheit und im Alter. Die Treue übersetzt sich in diesem Sinn in Mitverantwortung und gegenseitige Fürsorge innerhalb des Presbyteriums.
5. Die Treue vor Personalismus und Selbstbezogenheit wahren
Eine klare Warnung des Dokuments richtet sich gegen den klerikalen Personalismus und die Versuchung der Selbstbezogenheit. Der Papst erinnert daran, dass der Priester nicht Herr der Mission oder Protagonist seiner selbst ist, sondern Diener Christi und seines Volkes.
Dieser Schlüssel erstreckt sich auch auf den Gebrauch der Kommunikationsmittel und sozialen Netzwerke, die immer im Licht des Dienstes an der Evangelisation bewertet werden müssen. Die priesterliche Treue impliziert „verschwinden, damit Christus bleibt“, und vermeidet jede Form der Selbstfeier oder Suche nach persönlicher Anerkennung.
6. Die Treue im Gleichgewicht zwischen Kontemplation und Mission wahren
Leo XIV identifiziert zwei gegensätzliche Risiken, die die Treue bedrohen: den Aktivismus, der das Amt auf Leistung reduziert, und den passiven Rückzug, der aus Angst oder Müdigkeit vor der Mission flieht. Gegen beide schlägt er eine auf pastorale Nächstenliebe zentrierte Treue vor, die Kontemplation und Handeln integrieren kann.
Der treue Priester ist derjenige, der seine Mission als demütigen Dienst lebt, ohne auf Gebet, Studium und brüderliches Leben zu verzichten, und der verfügbar bleibt, das Evangelium in allen Bereichen des sozialen Lebens zu verkünden, ohne seine spirituelle Identität zu verlieren.
7. Die Treue pflegen mit Blick auf die Zukunft der Kirche
Schließlich verbindet Leo XIV die priesterliche Treue mit der zukünftigen Berufung der Kirche. Er betont, dass keine Erneuerung möglich ist ohne treue und beständige Priester und ermutigt, den Jugendlichen klare, anspruchsvolle und authentische Berufungsvorschläge anzubieten.
Die mit Kohärenz, Freude und Hingabe gelebte Treue wird als das erste und wirksamste Berufungszeugnis dargestellt. Aus diesem Grund schließt der Papst mit einer Einladung an die ganze Kirche, für Berufungen zu beten und Umgebungen zu schaffen, in denen eine großzügige Antwort auf den Ruf des Herrn reifen kann.
