Zwei Ex-Geschäftsführer klagen den IOR vor dem Europäischen Gerichtshof wegen der Streichung ihrer Pensionen

Zwei Ex-Geschäftsführer klagen den IOR vor dem Europäischen Gerichtshof wegen der Streichung ihrer Pensionen

Das Pontifikat von Leo XIV erbt eine neue gerichtliche Front in Europa. Das Institut für die Werke der Religion (IOR) wurde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wegen des Entzugs der Pension an zwei ehemalige Führungskräfte der vatikanischen Bank angeklagt, eine Entscheidung, die nach Ansicht der Kläger ein grundlegendes Recht verletzt, das in der Europäischen Menschenrechtskonvention anerkannt ist.

Die Information wurde vom italienischen Tageszeitung Il Messaggero veröffentlicht, das Zugang zu den gerichtlichen Unterlagen hatte.

Die Kläger und der Ursprung des Konflikts

Diejenigen, die nach Straßburg gezogen sind, sind Paolo Cipriani und Massimo Tulli, ehemalige Manager des IOR, die einst vom vatikanischen Gericht wegen Fehlverwaltung verurteilt wurden. Trotz der Verurteilung hatten beide nach den internen Vorschriften des Pensionsfonds des Vatikans Anspruch auf ihre Rente, wenn auch um ein Drittel reduziert, wie es in den meisten europäischen Rechtssystemen üblich ist.

Allerdings hat der IOR die Zahlung ihrer Pensionen abrupt eingestellt, was Cipriani und Tulli zu einem langen gerichtlichen Verfahren innerhalb des eigenen vatikanischen Systems veranlasste.

Zwei günstige Urteile… und eine finale Wendung

In der ersten und zweiten Instanz haben die Gerichte des Vatikans den ehemaligen Mitarbeitern recht gegeben, indem sie anerkannten, dass die Pension ein erworbenes Recht darstellt, und den IOR anordneten, die Zahlung wiederherzustellen – mit der entsprechenden Reduzierung – sowie die Prozesskosten zu übernehmen.

Diese Urteile beruhten auf einem weithin anerkannten Prinzip im italienischen und europäischen Recht: der Unveräußerlichkeit der Pension, außer in den ausdrücklich vom Gesetz vorgesehenen Grenzen.

Dennoch hat der IOR systematisch gegen alle Entscheidungen Berufung eingelegt, bis er beim vatikanischen Kassationsgericht ankam. Im April 2025 hat ein Richterkollegium, das mehrheitlich aus Kardinälen bestand und vom Kardinal Matteo Zuppi, Präsident der Italienischen Bischofskonferenz, geleitet wurde, die vorherigen Urteile vollständig umgekehrt und der vatikanischen Bank recht gegeben.

Ein kontroverses Urteil

Laut dem von Zuppi unterzeichneten Urteil – zu dem Il Messaggero Zugang hatte – muss die Pension des Arbeitnehmers nicht notwendigerweise als erworbenes Recht betrachtet werden, eine Behauptung, die einen Bruch mit der europäischen RechtsTradition darstellt.

Das Urteil führt zudem eine neue Kategorie ein, indem es die reduzierte Pension als „unangemessene Entschädigung“ und nicht als festes Recht des Arbeitnehmers neu definiert. Diese Interpretation hat starke Kritik hervorgerufen, da sie in einem Rechtssystem erfolgt, in dem es keine klare Gewaltenteilung gibt und der Papst letztlich der oberste Richter ist.

Das Urteil wurde am 10. April 2025 erlassen, nur elf Tage vor dem Tod von Papst Franziskus.

Der Einspruch vor Straßburg

Angesichts der Unmöglichkeit, innerhalb des vatikanischen Rechtssystems weiter Berufung einzulegen, wandten sich Cipriani und Tulli an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und klagten, dass der IOR Artikel 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt habe, der den Schutz des Eigentums betrifft.

Die Kläger behaupten, dass die vatikanische Bank auch Artikel 28 der internen Satzung des vatikanischen Pensionsfonds verletzt habe, der festlegt, dass Pensionen nicht abgetreten, gepfändet oder konfisziert werden dürfen, außer um Schulden gegenüber der eigenen Verwaltung zu decken und immer innerhalb der Grenze von einem Drittel des Betrags.

Ein Fall mit kontroversen Vorgeschichten

Das Strafverfahren, das zur vatikanischen Verurteilung von Cipriani und Tulli führte, war von Anfang an komplex und kontrovers. Beide ehemaligen Führungskräfte wurden auch von der italienischen Justiz im Zusammenhang mit mutmaßlich illegalen Bewegungen von 23 Millionen Euro im Jahr 2010 angeklagt, die beschlagnahmt wurden.

In diesem Verfahren sprach das Gericht in Rom sie in der Berufung mit der Formel „weil die Tat nicht existiert“ frei, eine Freisprechung, die stark im Kontrast zum Ausgang des vatikanischen Verfahrens stand und die Kritik an der Kohärenz und Transparenz des vatikanischen Justizsystems nährte.

Eine neue Front für den Vatikan

Die Klage vor dem EGMR eröffnet nun ein sensibles Szenario für den Vatikan und für das Pontifikat von Leo XIV, das einen Fall mit möglichen internationalen Konsequenzen erbt. Wenn Straßburg die Klage annähme und gegen den IOR entscheiden würde, könnte der Fall einen bedeutenden Präzedenzfall für die Vereinbarkeit des vatikanischen Rechtssystems mit den europäischen Standards grundlegender Rechte schaffen.

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