Heiliger Bernhard von Clairvaux und die Jungfrau Maria: Die Demut, in der Gott sich nah machte

Heiliger Bernhard von Clairvaux und die Jungfrau Maria: Die Demut, in der Gott sich nah machte

Unter den großen Kirchenlehrern sprach nur wenige von der Jungfrau Maria mit solcher spiritueller Tiefe und theologischem Gleichgewicht wie San Bernardo de Claraval. Der zisterziensische Abt, Mystiker des 12. Jahrhunderts, war ein Verliebter der Mutter Gottes, fiel aber nie in Übertreibungen oder Sentimentalismen. Seine marianische Hingabe entsprang dem Wort Gottes und nährte sich aus der kontemplativen Stille der Klöster.
Für Bernhard war Maria keine ferne Gestalt oder eine poetische Idee: Sie war die Frau des Evangeliums, jene, in der Gott klein wurde, um sich dem Menschen zu nähern.

Ein Glaube, geboren aus der Schrift

San Bernardo ließ sich nicht von Mythen oder Legenden mitreißen. Sein Blick war auf das Evangelium gerichtet, insbesondere auf die Erzählung der Verkündigung. Dort offenbart ihm jedes Wort — der Name des Engels, die Stadt Nazareth, die Jungfräulichkeit Marias, die Abstammung von David — etwas vom Geheimnis Gottes.

„Der Evangelist — sagt Bernhard — spricht kein einziges Wort ohne Grund, besonders wenn er die Geschichte des Fleischgewordenen Wortes erzählt.“ In dieser aufmerksamen und liebevollen Lesart findet der Mönch die Quelle seiner marianischen Theologie: Maria ist die auserwählte Frau, nicht um ihrer menschlichen Verdienste willen, sondern weil ihre Seele leer von sich selbst und voll von Gott war.

Auf diese Weise zeigt San Bernardo, dass die wahre Mariologie nicht außerhalb der Bibel liegt, sondern ihre reinste Blüte ist. Was man an Maria bewundert — ihren Glauben, ihre Nachgiebigkeit, ihre göttliche Mutterschaft — ist genau das, was die Schrift jedem Christen lehrt zu leben.

Die Demut, Schlüssel zum Geheimnis

Bernhard preist die Jungfräulichkeit Marias, stellt sie aber nicht als ihre größte Herrlichkeit dar. Ihre Größe, sagt er, liegt in der Demut. „Wir können ohne Jungfräulichkeit gerettet werden, aber nicht ohne Demut“, schreibt er. Die Jungfrau wurde erwählt nicht um des, was sie besaß, sondern um des, was ihr fehlte: Stolz, Widerstand, Eigenliebe.

In einer Zeit, in der der Ehrgeiz die feudale Gesellschaft und sogar die Kirche beherrschte, bot San Bernardo einen anderen Spiegel: Maria, die demütige Magd, wird zum Thron, auf dem der König des Himmels ruhen wollte. In ihr erhebt sich der Glaube nicht in Hochmut, sondern neigt sich in Ehrfurcht.

Seine Botschaft bleibt aktuell: Nur die einfache Seele lässt Raum für Gott. Die Demut Marias mindert ihre Größe nicht; sie erhebt sie, denn in ihr erstrahlt die ganze göttliche Herrlichkeit.

Die Würde, die von Gott kommt

San Bernardo, mit seinem kraftvollen und poetischen Stil, verweilt auch beim Geheimnis der Beziehung zwischen der Mutter und dem Sohn. Er betrachtet die Szene des Kindes Jesus im Tempel, das sich nach drei Tagen Abwesenheit seinen Eltern unterwirft, und kommentiert:

„Dass Gott einer Frau gehorcht, ist beispiellose Demut; dass eine Frau dem Sohn Gottes gebietet, ist unvergleichliche Würde.“

In diesem Paradoxon entdeckt der Mönch das Wesen des Christentums: Gott zerstört die menschliche Natur nicht, er veredelt sie. In Maria erlangt die Menschheit ihre ursprüngliche Nobilität zurück, die des Mitarbeiters am Schöpfer. Sie ist Geschöpf, doch ihre göttliche Mutterschaft macht sie zum Punkt, an dem das Ewige das Menschliche berührt.

So lehrt San Bernardo, dass das Hören auf Maria nicht Christus die Herrlichkeit raubt, sondern anerkennt, was Gott tun kann, wenn er ein völlig verfügbares Herz findet.

Königin durch ihre Mutterschaft

Obwohl in seiner Zeit bereits die großen marianischen Privilegien diskutiert wurden, ließ sich San Bernardo nicht von Spekulationen mitreißen. Er wies zum Beispiel die Übertreibungen zur Unbefleckten Empfängnis zurück, nicht weil er die Heiligkeit Marias leugnete, sondern weil er noch keine ausreichende Grundlage in der Offenbarung fand. Seine Vorsicht war paradoxerweise der Boden, auf dem die zukünftige Lehre keimen würde.

Dennoch erkennt der Abt von Clairvaux in der Jungfrau einen Titel, der aus der Schrift entspringt: Königin, weil sie die Mutter des Königs ist. „Nur diese Art der Geburt war Gott würdig — schrieb er —: aus einer Jungfrau geboren zu werden; und nur diese Geburt war einer Jungfrau würdig: Gott zu gebären.“

Ihre Königsherrschaft ist also nicht von Macht oder Herrschaft, sondern von Dienst und Liebe. Maria herrscht, weil sie sich völlig hingab, weil sie nichts für sich behielt. Ihr Thron ist das Herz Christi, und ihr Zepter ist das Gebet, das für die Menschen eintritt.

Von Eva zu Maria: Der Kontrast zweier Freiheiten

Bernhard betrachtet Maria als die neue Eva. Die erste Frau streckte ihre Hand nach der verbotenen Frucht aus, und mit ihrem Ungehorsam brachte sie den Tod; die zweite bietet der Welt die gesegnete Frucht ihres Schoßes, Christus, Quelle des Lebens.

In diesem Parallelismus sieht der Mönch die gesamte Heilsgeschichte gespiegelt: die Erlösung beginnt nicht mit einem Schwert, sondern mit einem ‚Ja‘. Im Garten Eden schlossen sich die Tore des Paradieses; in Nazareth öffneten sie sich erneut durch die Stimme einer Jungfrau.

Der Gehorsam Marias war kein passiver Akt, sondern die größte freie Mitwirkung, die je Gott gegeben wurde. In ihrem „Es geschehe“ hört San Bernardo das Echo der ganzen Schöpfung, als hielte das gesamte Universum den Atem an und wartete auf ihre Antwort.

Das „Ja“, das die Geschichte veränderte

Als der Engel den göttlichen Plan ankündigt, stellt sich Bernhard das gesamte Himmelreich in Schweigen wartend vor. Dann richtet er an die Jungfrau diese glühenden Worte:

„Antworte schnell, o Maria. Gib deine Zustimmung dem Engel, durch ihn dem Herrn. Sprich dein Wort und empfange das Wort; sprich die vergängliche Stimme aus und empfange das ewige Wort.“

In diesem Augenblick — sagt der Heilige — tritt die Ewigkeit in die Zeit ein. Das Wort Gottes nimmt menschliches Fleisch an, und das „Fiat“ Marias wird zum Beginn der Erlösung. Für Bernhard fasst dieser Gehorsam den gesamten christlichen Glauben zusammen: Gott ruft, der Mensch antwortet; Gott schlägt vor, die Seele willigt ein.

Maria, Lehrerin der Kontemplation

Für San Bernardo ist Maria nicht nur Gegenstand der Verehrung; sie ist Vorbild des Gebets. Ihr ganzes Leben ist eine gelebte lectio divina: Sie hört das Wort, meditiert es im Herzen, betet aus der Stille und betrachtet es als Fleisch geworden.

Der Abt sah in ihr die vollkommene Gestalt des Mönchs, der die Schrift lebt. Tatsächlich waren seine eigenen Predigten Übungen des gemeinsamen Gebets. Die Zisterzienser hörten zu, meditierten und betrachteten gemeinsam, was das Wort durch die Jungfrau sagte. In dieser Atmosphäre von Stille und Gesang machte Bernhard aus seinen Homilien wahre Schulen der Kontemplation.

Deshalb wird später gesagt: „Die Hingabe an Unsere Frau ist zisterziensisch“. In Maria fand der Mönch nicht nur die Mutter des Herrn, sondern auch den Spiegel der Seele, die sich mit Gott vereinigen will.

Die Mutter des Wortes und die Seele des Gläubigen

San Bernardo lehrt, dass jeder Christ aufgerufen ist, die innere Haltung Marias nachzuahmen: Das Wort hören, sich von ihm erfüllen lassen und es der Welt geben. In der Seele des Gläubigen, wie in der Jungfrau, will das Wort sich auch verkörpern.

Die Jungfrau von Clairvaux ist keine ferne Gestalt, sondern das Antlitz des lebendigen, demütigen und aktiven Glaubens. In Zeiten, in denen die Hingabe das Risiko läuft, zur Gewohnheit oder zum Spektakel zu werden, erinnert ihr Beispiel daran, dass der wahre Glaube aus der Stille geboren wird, sich vom Wort nährt und sich im Gehorsam ausdrückt.

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