León XIV: die Hoffnung entsteht in der Stille des Karsamstags, nicht im Lärm

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Der Papst Leo XIV leitete die Generalaudienz dieses Mittwochs auf dem Petersplatz vor Tausenden von Pilgern. Im Rahmen des Jubiläumszyklus „Jesus Christus, unsere Hoffnung“ widmete er seine Katechese dem Geheimnis des Karsamtages, geleitet vom Vers: „Ein neues Grab, in dem noch niemand je gelegen hatte“ (Joh 19,40-41). Der Pontifex betonte den Wert des Schweigens, der Wartezeit und der Ruhe in Gott als Siegel des Erlösungswerkes Christi. Zum Abschluss drückte er seine Nähe zum palästinensischen Volk in Gaza aus und rief zu einem Waffenstillstand auf.

Katechese – Jubiläum 2025. Jesus Christus unsere Hoffnung. III. Das Osterfest Jesu. 7. Der Tod. „Ein neues Grab, in dem noch niemand je gelegen hatte“ (Joh 19,40-41)

Liebe Brüder und Schwestern,

Auf unserem Weg der Katechese über Jesus, unsere Hoffnung, betrachten wir heute das Geheimnis des Karsamtages. Der Sohn Gottes liegt im Grab. Aber diese Abwesenheit ist kein Vakuum: Es ist Wartezeit, eingehaltene Fülle, Versprechen, das in der Dunkelheit bewahrt wird. Es ist der Tag des großen Schweigens, wenn der Himmel stumm zu sein scheint und die Erde unbewegt, aber gerade dort erfüllt sich das tiefste Geheimnis des christlichen Glaubens. Es ist ein Schweigen voller Sinn, wie der Schoß einer Mutter, die das ungeborene, aber bereits lebende Kind hütet.

Der Leib Jesu, von dem Kreuz abgenommen, wird sorgfältig umhüllt, wie man es mit dem Kostbarsten tut. Der Evangelist Johannes sagt uns, dass er in einem Garten begraben wurde, in „ein neues Grab, in dem noch niemand je gelegen hatte“ (Joh 19,41). Nichts wird dem Zufall überlassen. Dieser Garten erinnert an das verlorene Paradies, den Ort, an dem Gott und der Mensch vereint waren. Und dieses nie benutzte Grab spricht von etwas, das geschehen wird: Es ist eine Schwelle, kein Ende. Am Anfang der Schöpfung pflanzte Gott einen Garten, nun beginnt die neue Schöpfung ebenfalls in einem Garten: mit einem verschlossenen Grab, das bald geöffnet werden wird.

Der Karsamstag ist auch ein Tag der Ruhe. Nach dem jüdischen Gesetz arbeitet man am siebten Tag nicht: Nach sechs Tagen der Schöpfung ruhte Gott (vgl. Gen 2,2). Nun ruht auch der Sohn, nachdem er sein Werk der Erlösung vollendet hat. Nicht weil er müde ist, sondern weil er seine Arbeit beendet hat. Nicht weil er aufgegeben hat, sondern weil er bis zum Äußersten geliebt hat. Nichts bleibt hinzuzufügen. Diese Ruhe ist das Siegel des vollendeten Werks, die Bestätigung, dass das, was getan werden musste, getan wurde. Es ist eine Ruhe voller der verborgenen Gegenwart des Herrn.

Uns fällt es schwer, innezuhalten und zu ruhen. Wir leben, als ob das Leben nie ausreichen würde. Wir rennen, um zu produzieren, um zu beweisen, um nicht zurückzubleiben. Aber das Evangelium lehrt uns, dass das Innehalten ein Akt des Vertrauens ist, den wir lernen müssen. Der Karsamstag lädt uns ein, zu entdecken, dass das Leben nicht nur von dem abhängt, was wir tun, sondern auch davon, wie wir uns von dem verabschieden, was wir tun konnten.

Im Grab schweigt Jesus, das lebendige Wort des Vaters. Aber in diesem Schweigen beginnt das neue Leben zu gären. Wie der Same in der Erde, wie die Dunkelheit vor dem Morgen. Gott fürchtet die vergehende Zeit nicht, weil er auch Herr der Wartezeit ist. So kann auch unsere unnütze Zeit, die der Pausen, der Leeren, der unfruchtbaren Momente, zum Schoß der Auferstehung werden. Jedes angenommene Schweigen kann Vorspiel eines neuen Wortes sein. Jede aufgehängte Zeit kann zur Zeit der Gnade werden, wenn wir sie Gott anbieten.

Jesus, in die Erde gelegt, ist das sanfte Antlitz eines Gottes, der nicht den ganzen Raum einnimmt. Es ist der Gott, der Platz macht, der wartet, der sich zurückzieht, um uns Freiheit zu geben. Es ist der Gott, der vertraut, sogar wenn alles verloren scheint. Und wir, in diesem aufgehängten Samstag, lernen, keine Eile zu haben, auferzustehen: Zuerst muss man verweilen, das Schweigen annehmen, sich von der Grenze umarmen lassen. Oft suchen wir schnelle Antworten, sofortige Lösungen. Aber Gott wirkt in der Tiefe, in der langsamen Zeit des Vertrauens. Der Samstag des Grabes wird so zum Schoß, aus dem die Kraft eines unbesiegbaren Lichts hervorgeht: das der Ostern.

Liebe Freunde, die christliche Hoffnung entsteht nicht im Lärm, sondern im Schweigen einer von der Liebe bewohnten Wartezeit. Sie ist nicht Kind der Euphorie, sondern des vertrauensvollen Hingebens. Das lehrt uns die Jungfrau Maria: Sie verkörpert diese Wartezeit, dieses Vertrauen, diese Hoffnung. Wenn es scheint, als ob alles zum Stillstand gekommen ist, als ob das Leben ein unterbrochener Weg ist, erinnern wir uns an den Karsamstag. Auch im Grab bereitet Gott die größte Überraschung vor. Und wenn wir mit Dankbarkeit annehmen, was gewesen ist, werden wir entdecken, dass gerade im Kleinen und im Schweigenden Gott die Realität transfiguriert, indem er alle Dinge neu macht mit der Treue seiner Liebe. Die wahre Freude entsteht aus der bewohnten Wartezeit, aus dem geduldigen Glauben, aus der Hoffnung, dass alles, was im Liebe gelebt wurde, sicher zur ewigen Leben auferstehen wird.